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P f l e g e u n d v e r s o r g u n g • fachkundig • achtsam • zuverlässig Gedanken zum Welthospiztag “Selbstbestimmt und in Würde leben bis zuletzt” (Jochen van Üüm, Hospizverein Niederkassel e.V.) „Ich weiß nicht mehr weiter“, sagte Herr Müller (Name geändert) am Telefon, und seine Stimme klang müde und erschöpft, „meine Frau hat Krebs im Endstadium. Es wird nicht mehr lange dauern. Der Arzt hat ihr geraten, in ein Hospiz zu gehen, und sie steht im Hospiz St. Klara in Troisdorf auch schon auf der Warteliste. Aber sie tut sich sehr schwer mit der Entscheidung: an dem einen Tag will sie, an dem anderen wieder nicht. Sie war schon so häufig im Krankenhaus, dass sie jetzt am Liebsten zu Hause bleiben würde. Das wäre mir natürlich auch das Liebste, aber ich bin weit über 80 und weiß einfach nicht mehr, wie ich die Pflege Tag und Nacht schaffen soll. Das merkt meine Frau natürlich auch. Unsere beiden Kinder wohnen auswärts. Sie sind berufstätig und können nur am Wochenende kommen. Beide drängen meine Frau, das Angebot mit dem Hospiz anzunehmen, weil sie da bestens versorgt sei und ich sie täglich, so lange ich wolle, besuchen könne. Aber meine Frau und ich wissen darüber nichts, und ich möchte unter keinen Umständen, dass sie das Gefühl hat, dorthin abgeschoben zu werden. Können Sie mir etwas darüber sagen, was ist mit dem Hospiz auf sich hat? Würden sie ihr raten, das Angebot anzunehmen?“ Ich bejahte. „Ich kann die Unsicherheit ihrer Frau gut nachvollziehen“, antworte ich, „bei meiner Mutter war es vor 20 Jahren ähnlich. Sie hatte Leberkrebs und hat mit aller Kraft dafür gekämpft, zu Hause bleiben zu dürfen. Aber zum Schluss ging das einfach nicht mehr. Sie musste auf die Palliativstation des Krankenhauses. Der dortige Arzt hat ihr dann sehr deutlich gesagt, dass eine Pflege zu Hause nicht mehr möglich sei. Er hat ihr geraten, in ein Hospiz zu gehen. Das hat sie anfangs abgelehnt. Aber hinterher hat sie zu ihm gesagt, 'wenn ich dort so gut umsorgt werde wir hier, dann geh ich.' 'Sie werden dort noch besser umsorgt als hier', hatte er geantwortet, 'das weiß ich, weil ich das Hospiz mitgegründet habe. Ihr Sohn kann es sich gerne einmal anschauen'.“ Ich erzählte Herrn Müller dann, dass auch ich damals große Zweifel gehabt hatte. Das Hospiz sei in meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet in einem alten Berufsschulgebäude untergebracht worden. Ich hätte eine sehr bedrückende Atmosphäre erwartet, doch ich hätte das Gebäude nicht wiedererkannt: ein großer, lichtdurchfluteter Eingang mit vielen grünen Pflanzen, helle große Zimmer, die sehr wohnlich eingerichtet waren mit Fernsehern, Bildern an den Wänden und Blumen auf dem Tischen, eine große Küche mit Speiseraum für diejenigen, die nicht auf dem Zimmer essen wollten oder konnten, Besucherecken überall – so schön hätte ich mir das nicht vorgestellt. Einige Bewohner saßen mit ihren Besuchern auf der Terrasse oder lagen dort in ihren Betten, die man nach draußen geschoben hatte. Alles war ganz anders als Ende der 70er Jahre bei meinem Schwiegervater, den man, als er damals im Krankenhaus im Sterben lag, in einen Abstellraum am Ende des Flurs geschoben hatte, damit die anderen das Sterben nicht mitbekamen. „Das war ja der Grund, warum damals die englische Krankenschwester Cicely Saunders die Hospiz Bewegung gegründet hat“ klärte mich damals der ehrenamtliche Betreuer auf, der mich herumführte. „Krankenhäusern wollen die Menschen gesund machen, das Sterben passt dort nicht rein. Saunders wollte ein Haus schaffen, in dem das Sterben akzeptiert war, wo man die Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden in den Vordergrund stellte. 'Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben', war ihr Leitspruch. 'Das Sterben gehört nicht an den Rand der Gesellschaft, es gehört mit zum Leben dazu‘!“ „Ihr haben wir das Konzept des Palliativ Care zu verdanken, in dem Mediziner, Pfleger, Apotheker, Seelsorger, Psychologen und ehrenamtliche Betreuer ganzheitlich um die 'Gäste' kümmern – und auch um ihre Familien, denn die gehören ja dazu“, fuhr ich in meinem Gespräch mit Herrn Müller fort. „Die Bewohner eines Hospizes werden übrigens ganz bewusst 'Gäste' genannt, weil man sich dort wie in einem guten Hotel bemüht, auf deren individuellen Wünsche einzugehen. Die Gäste sollen selbstbestimmt und in Würde leben bis zuletzt – das ist das Ziel eines Hospizes. Da wird dann durchaus schon mal ein strammer Max mit einem Kölsch


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