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MoZ ... denn wir sind von hier! Seite 05 I Ausgabe 07/20 aktuell Leserbrief chen des Evonik Betriebsgeländes ist reichlich Platz für den Bau dieser Produktionsanlage mit einem Investitionsvolumen von geplanten 500 Mio. €. Bei Bedarf ist Platz für Gewerbe zur Weiterverarbeitung des Produktes. Geworben wird mit der Schaffung von 120 bis 200 neuen Arbeitsplätzen. Nur, die Sache hat einen Haken: Der Standort ist umzingelt von dichter Wohn- und Gewerbebebauung. In unmittelbarer Nähe befinden sich Kindergärten, Gymnasium, Grund-, Haupt- und Ganztagsschulen. Das Gewerbegebiet Ranzel mit seinen vielen Einkaufsmöglichkeiten und hoher Besucherfrequenz beginnt direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Luftlinie wenige 100 Meter entfernt befindet sich das Walter Esser Seniorenheim. Die Sorgen der Anwohner/innen: Der letzte Explosionsunfall mit einer derartigen Produktionsanlage in Tarragona (Spanien) beklagte mehrere Todesfälle und ist erst wenige Wochen her (Januar 2020). Spektakulär die Wucht der Explosion: Ein 800 kg schweres Metallteil (vermutlich ein Deckel der Anlage) flog knapp drei Km durch die Luft, durchschlug ein Hausdach und tötete den Anwohner. Ursache des Unglücks ist bis heute ungeklärt. Weitere Unfälle mit Ethylenoxid ereigneten sich in Duisburg, Antwerpen und Ungarn. Die Evonik selbst produziert in direkter Nachbarschaft Chlor. Ein ebenfalls hochgiftiger Stoff. Was passiert, wenn beide Anlagen durch einen Störfall in einer der Anlagen miteinander reagieren? Damit aber noch nicht genug: Auf der anderen Rheinseite, weit innerhalb eines Radius von drei Kilometern, steht die Shell Raffinerie. Nur durch die Rheinbreite entfernt, betreibt Shell eine mehrstufige Beladungsanlage für Tankschiffe. Die Befüllung der Transporttanks und damit die Fracht, besteht ebenfalls aus leicht entzündlichen Treibstoffen. Schauen wir auf die Politik der Stadt Niederkassel: Dort sieht man mit Begeisterung das Investitionsvolumen von 500 Mio. €, die neuen 120 Arbeitsplätze (im Konjunktiv im Werbeflyer von PCC erwähnt) und die Füllung des Stadtsäckels mit Gewerbesteuern. Dabei entwickelte sich die Stadt in den letzten Jahren zu einem begehrten, prosperierenden Zuzugsgebiet. Viele Kölner und Bonner Arbeitnehmer zieht es in eine Wohnlage, die trotz der bereits bestehenden chemischen Fabrikanlagen ein angenehmes Wohnklima verspricht. Niederkassel zählt inzwischen zum Bestandteil des sogenannten Speckgürtels der südlich und nördlich gelegenen Großstädte und zieht viele Neubürger an. Die steigenden Einwohnerzahlen sind ein deutlicher Beleg. Wirbt doch die Stadt selbst auf ihrer Homepage - Auszug: "Ein attraktiver Wohnort mit einem erstklassigen Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder und Jugendliche. Das große Freizeitangebot auf kultureller und gesellschaftlicher Ebene, die Vielzahl der aktiven Vereine und eine lebendige örtliche Gemeinschaft mit regem sozialem Leben machen Niederkassel nicht nur für junge Familien attraktiv. Auch die einzelnen Stadtteile mit ihren schön gestalteten historischen Ortskernen, den modernen Wohngebieten, guten Einkaufsmöglichkeiten sowie zahlreiche Naherholungsgebiete machen Niederkassel zu einer für alle Generationen liebenswerten Stadt, in der man sich zu Hause fühlt." Was bleibt sind Fragen: • Wiegen die Schaffung von 120 Arbeitsplätzen mehr als die Sicherheit, Gesundheit und Wohnqualität der Anwohner? • Welche Sicherheitsmaßnahmen verhindern einen Chemieunfall, wie zuletzt 2020 in Tarragona geschehen? • Wie wird einer sich kumulativ ausbreitenden Gefahrenlage durch Chlor- und Raffinerieprodukten begegnet? Ein Szenario, das möglicherweise unbeherrschbar sein könnte. • Wie hoch sind die zu erwartenden Immissionen in Addition zu den bereits bestehenden Ausbringungen, durch Störfälle, Fackeltätigkeit (Shell), zunehmenden Schiffsverkehr (Containerhafen), Rheinspange, Güterzüge, Lärm und vermehrter Lichtemission (Nachtbeleuchtung)? • Verlieren die Ortsteile Lülsdorf, Ranzel und Niederkassel an Wohnqualität und Attraktivität, die sich letztlich auch auf die Grundstückswerte auswirken könnten? • Was bleibt übrig von der 500 Millionen Investition für Steigerung der Wohnqualität und städtischer Infrastruktur - außer neuen Schornsteinen, Cracktürmen und Stahlgerüsten? • Gibt es keine Alternativlösungen für Produktionsanlagen mit geringeren Risikowerten, die den wirtschaftlichen Standort ebenso fördern und befördern könnten? Stattdessen wird ein unkalkulierbares Pulverfass errichtet. Nach eigener Aussage von PCC kann es keine 1000-prozentige Sicherheit geben. Nun denn, 100 Prozent würden genügen. PCC hat noch keine vergleichbare Anlage dieser Größenordnung in ihrer Firmengeschichte je gebaut. Sie betritt also Neuland. Über wie viel Produktionserfahrung kann sie verfügen, wenn bisher nur weiterverarbeitende Produktlinien in ihrem Portfolie stehen? In ihrem Werbefilm, aufgeführt im Evonik Casino, wurden ausschließlich Produktionsstätten außerhalb dichter Wohngebiete dargestellt. Letztlich verspricht PCC eine gute Zusammenarbeit mit den Anwohnern. Zitat: "Ein gutes Verhältnis mit unseren Nachbarn ist uns sehr wichtig". Und weiter: "An allen unseren Standorten haben wir die Bedürfnisse der Anwohner stets im Blick." Würde die PCC auch ein "NEIN" der Anwohner, ermittelt durch eine Bürgerbefragung, akzeptieren? Die Evonik war stets ein verlässlicher Partner mit hohen Sicherheitsstandards. Kaum Störfälle und immer aufgeschlossen ihren Nachbarn gegenüber. Wird diese Erfolgsgeschichte, das Vertrauen, nun auf die Probe gestellt? gez: Rüdiger Pietsch Lülsdorf Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserzuschriften sinnwarend zu kürzen. Anonyme Zuschriften werden nicht veröffentlicht. Es besteht kein Anspruch auf Abdruck


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