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MoZ Ausgabe 40/18 I Seite 58 familie ... denn wir sind von hier! Hospizverein Niederkassel sucht mutige Männer Wer hat Mut, sich zum Sterbebegleiter ausbilden zu lassen? Jochen van Üüm, Hospizverein Niederkassel „Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles, Männer kriegen 'n Herzinfarkt“ – so besingt Herbert Grönemeyer uns Männer. Und so sehen wir uns selbst ja auch gern: abenteuerfreudig, stark und mutig. Doch warum gibt es dann in den Hospizvereinen so wenige Männer als Sterbebegleiter? Grade hier braucht man(n) doch Mut! Herbert Grönemeyer kennt den Grund: Männer „außen hart und innen ganz weich“. Ja genau: innen ganz weich, das ist unser Problem. Denn wenn’s um Mut geht, dann ist „innen ganz weich“ kontraproduktiv, dann braucht’s innere Stärke! Das weiß ich aus eigener Erfahrung: 3 Jahre hat’s bei mir gebraucht, bis ich den Mut fand, mich zum Sterbebegleiter ausbilden zu lassen. Bis dahin hatte ich mich nicht getraut, so nah an das Sterben und den Tod heran zu gehen. Woran das lag? Als ich mich an die Pflege meiner Eltern erinnerte, wurde es mir klar: Stark fühlte ich mich immer dann, wenn ich etwas für sie tun konnte. Nur dabei zu sitzen und die Hand zu halten – da fühlte ich mich nutzlos und schwach. In Gesprächen mit anderen Männern ist mir das bestätigt worden: Mit dem Aktiv-Sein haben wir Männer keine Probleme, aber es auszuhalten, nichts tun zu können –davor haben wir Männer einen Heidenschiss! Ich sprach mit Günter Doclot darüber, der als ehrenamtlicher Sterbebegleiter des Niederkasseler Hospizvereins sowohl Sterbende zu Hause als auch im Heim betreut. „Wie hältst du das Nichts-Tun-Können bei der Sterbebegleitung aus?“ „Aber ich kann doch was tun!“ war seine Antwort. „Denn unsere Sterbebegleitung ist keine Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Leben! Wenn jemand vom Arzt die Mitteilung erhält, dass eine Heilung der Krankheit nicht mehr möglich ist, dann stirbt er ja nicht sofort — er lebt in der Regel noch Wochen, Monate oder Jahre. Und in dieser Zeit will er nicht ständig ans Sterben denken oder gar darüber reden - er möchte sein Leben trotz aller Beeinträchtigungen so normal wie möglich weiterleben. Dabei helfe ich ihm und auch seinen Angehörigen. “ Genau das habe ich vor kurzem bei meiner ersten Sterbebegleitung selbst erlebt: Obwohl der Mann wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, haben wir uns nicht über den Tod, sondern über unser Leben unterhalten. Weil er nicht viel älter war als ich, hatten wir viele gemeinsame Erinnerungen an unsere Kindheit und Jugend. Und dabei haben wir sehr viel gemeinsam gelacht. Obwohl er nicht mehr lange gelebt hat, denke ich heute noch mit einem Glücksgefühl an ihn. Nie hätte ich geglaubt, dass eine Sterbebegleitung mir so viel Positives geben könnte. Dabei hatte ich natürlich Angst vor der ersten Begleitung gehabt. Aber es stellte sich heraus, dass der mehrmonatige Befähigungskurs mich schon ganz gut darauf vorbereitet hatte: Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass ich bei der Begleitung nicht allein bin. Ich bin Teil eines Netzwerks von „Palliativ“- Fachkräften (Ärzten, Apotheken, Pflegediensten), die sich spezialisiert haben auf die Linderung von Schmerzen und Beschwerden, wenn eine Heilung der Erkrankung nicht mehr möglich ist. Besonders informativ fand ich einen Dokumentarfilm über die „Biologie des Todes“: mir ist jetzt bewusst, dass der Körper - wie bei der Geburt - von sich aus weiß, was er tun muss, um das Leben schonend zum Ende zu bringen. Daher konnte ich einen Freund beruhigen, dessen Vater im Sterben lag. Der rief mich fassungslos an, weil sein Vater kein Essen oder Trinken mehr bekommen sollte. Ich konnte ihm erklären, dass der Körper seines Vaters Essen und Trinken jetzt nicht mehr verarbeiten könne. Das sei jetzt nur noch eine Belastung für ihn. Stattdessen würde der Körper durch die Dehydrierung Endorphine ausschütten, welche Schmerzen lindern und meist sogar euphorische Gefühle auslösen würden. Bei dem Lehrgang habe ich auch einiges über mich selbst, meine Stärken und Schwächen erfahren und wie ich meine Stärken effektiv einsetzen kann. Und ich habe gelernt, wie ich dem Sterbenden und seinen Angehörigen ruhig und besonnen zur Seite zu stehen kann und wie wichtig eine verlässliche Betreuung ist. Alles in allem bin ich schon ein bisschen stolz darauf, den Mut gehabt zu haben, meine Ängste zu überwinden. Werden Sie Sterbebegleiter/ Sterbebegleiterin: Neuer Ausbildungskurs Ab dem 10.01.2019 beginnt der Hospizverein Niederkassel mit einem neuen Befähigungskurs in Sterbebegleitung. Männer und Frauen sind herzlich willkommen! Mehr dazu erfahren Sie auf der Homepage des Hospizvereins Niederkassel (www.hospizverein niederkassel.de) oder bei der Kursleiterin Yasmin Park unter der Telefonnummer 0175 98 09 466 oder per Mail unter koord@hospiz-niederkassel.de. Sie können sich aber auch gerne bei Jochen van Üüm, dem Autor dieses Artikels, unter der Telefonnummer 0177 77 82 625 beraten lassen. Humor in der Sterbebegleitung? Doch, das geht! Am Sonntag, den 14. Oktober 2018, liest der Hospizverein zusammen mit der Gruppe „Gott und die Welt“ der Evangelischen Kirche aus dem preisgekrönten Buch von Susann Pasztor „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ (siehe Anzeige) Ort: Auferstehungskirche in Niederkassel, Spicherstr. 6 Beginn: 15 Uhr Eintritt frei – Spenden für die Arbeit des Hospizvereins sind herzlich willkommen! q


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