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MoZ Ausgabe 37/20 I Seite 20 aktuell ... denn wir sind von hier! Leserbrief Thema: Schule für alle – eine Perspektive für das Schulzentrum Nord Eine Antwort auf den Leserbrief von U. Amrein zum „Platzhalter Förderschule“ in der MOZ 36/2020 von Ulrich Buchholz Wenn es um Behinderung, Inklusion, Normalität geht, werde ich aufmerksam. Das Thema begleitet mich 40 Jahre. Seitdem wir unseren zweiten Sohn haben, der bestimmte Handicaps hat. Und wenn ich von ihm erzähle und die – vorsichtige – Frage kommt, „was hat er denn“, antworte ich, ich erzähl dir erst mal, was er kann, was er gerne macht. Radfahren zum Beispiel, Musik hören, tanzen, einhändig Korbball werfen, Steine in den Rhein werfen und erzählen. Lecker essen, Cola trinken. Virtuell telefonieren. Danach erzähle ich, was nicht geht. Brücken bauen statt Umwallungen Ich verfolge die Diskussion über den Ausbau des Schulzentrums Nord. Den einen ist die „Halle für ALLE“ wichtig, die anderen möchten überraschend einen Sportpark im Bürgerpark errichten. Mir fehlt die Frage, was bauen wir hier, für wen? Wie könnte das aussehen? Die Verwaltung hat durchaus in den ganzen Unterlagen zum Bauund Schulausschuss am 20.8.20 ein Kapitel dem Thema „Perspektive Förderschule“ gewidmet. Trotzdem stimme ich Frau Amrein zu, da fehlt de Lobby für die Kinder, die die Förderschule besuchen. Das drückt sich dann auch in dem Begriff „Platzhalter Förderschule“ auf dem Planungs-Entwurf aus. Mir fehlt aber noch mehr. An dieser Stelle unterscheiden sich meine Erfahrungen und Ansätze von der Perspektive von Frau Amrein, die schreibt, dass Inklusion „eben nicht in allen Fällen funktioniert“. Diese Aussage lässt sich eh nur im Einzelfall prüfen. Ich stell mir dann vor, statt „Umwallung der Förderschule“, womit ein Schutz aber auch eine Abgrenzung gemeint ist, würde ich in den Entwürfen und Vorlagen lesen, dass Brücken geplant werden, Begegnungsorte, Stätten für gemeinsame Gärten, Werkstätten, Aktivitäten zwischen den verschieden Schulen. Das wäre gut für alle Kinder. Ich bin sicher, Kinder lassen sich so nicht sinnvoll sortieren. Vieles können sie gemeinsam machen, jede und jeder auf seinem Niveau. Statt Kooperation mit einer passenden Förderschule im Umland, um die vorgeschriebenen Schüler*innenzahlen zu erreichen, könnte doch eine Kooperation zwischen den verschiedenen Schulen vereinbart werden. Mit dem Ziel, möglichst viel Inklusion zu ermöglichen. Denen, die jetzt widersprechen und sagen, das geht doch gar nicht, möchte ich antworten, dann lass uns Wege suchen, das zu schaffen. ZB auf Grundlage von §25 Schulgesetz NRW zu Schulversuchen. Ich hoffe, dass nach der Wahl viele Mitglieder im Rat sind, die bereit sind, die Erfahrungen, Erkenntnisse, Filme und Bücher über Sonderschulsystem, Inklusion und auch den Auftrag aus der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die seit 2009 auch in Deutschland gilt „Jeder Mensch hat ein Recht auf Inklusion, also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein“, wirklich ernst zu nehmen und umzusetzen. Menschen, junge und alte, sind gleich und verschieden Ich weiß, das Thema Förderschule – Inklusionsschule ist heiß und führt zu heftigen Diskussionen. Was mich sicher macht, dass möglichst viel Begegnung, möglichst viel Inklusion, möglichst viel gemeinsame Projekte, möglichst viel gemeinsamer Unterricht gut ist für alle, ist die Sicht, dass auch Schüler*innen im normalen Schulsystem nicht einheitlich sind. Auch sie haben verschiedene Lerngeschwindigkeiten, verschiedene Vorstellungen, unterschiedliche Schwächen, Stärken. Auch im Sonderschulbereich gibt es wiederum Kinder, die aus diesem System rausfallen, die das System sprengen (der Film Systemsprenger zeigt das drastisch). Das voneinander Lernen, sowohl auf Schüler*innen- auf Lehrer* innen- und auf Eltern-Ebene ist da hilfreich. Die Bereitschaft der Politiker*innen und Schulleitungen, sich zu öffnen, für neue Wege, die nicht explizit in Vorschriften stehen, ist wichtig. Was macht mich so sicher? Was mich auch sicher macht, das Ziel „Schule für alle“ fürs Schulzentrum Nord auszumalen, sind meine Erfahrungen. Die Erfahrungen vor langer Zeit, mit Gründung eines integrativen Kindergartens in Bonn, mit der integrativen Klasse der Gesamtschule in Beuel, die unser erster Sohn besucht hat. Die Erfahrungen im Alltag. Wenn ich mit unserem jüngeren Sohn mit seinem Liegedreirad durch NRW radel. Im August sind wir von Rheidt nach Duisburg gestrampelt. Ja, wir fallen auf. Weil wir so langsam sind. Und Sohn gerne links fährt. Und unter den Brücken laut schreit, weil es so schön hallt. Die einen reagieren mürrisch, weil wir Hindernis für Schnellradler* innen sind oder nicht immer regelkonform fahren, die anderen sehen uns - und lächeln zurück. Diese Normalität, wir fahren langsam, wir fahren durch alle Städte, durch die wir wollen, wir gehören dazu, in die Schulplanung und in möglichst viele Bereiche zu bringen - das ist (m)ein super Ziel, für die nächste Zeit. Für Fortsetzung und Kontakt: u.buchholz@posteo.de Mit freundlichen Grüßen Ulrich Buchholz Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserzuschriften sinnwarend zu kürzen. Anonyme Zuschriften werden nicht veröffentlicht. Es besteht kein Anspruch auf Abdruck


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