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Interview mit Christian Lindner „Ansprechpartner für selbstbestimmte Menschen“ Christian Lindner ist Bundesvorsitzender der FDP. Mit ihm gewann die FDP die Landtagswahl in NRW 12,6 Prozent der Zweitstimmen. Er erzielte vier Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Wahl. Nun will er die Liberalen wieder in den Bundestag zurückbringen. In Düsseldorf traf sich Christian Lindner mit Rautenberg- Verleger Dr. Franz-Wilhelm Otten und Carsten Seim. i Warum soll ich die FDP nach Jahren der außerparlamentarischen Opposition wieder in den Bundestag wählen? Menschen, die ihr Leben aktiv selbstbestimmt führen wollen, statt sich passiv verwalten zu lassen, hatten im Bundestag in den vergangenen vier Jahren keinen Ansprechpartner. Das wollen wir ändern. In einem anderen Interview haben Sie gesagt: „„„„„Das Rennen um Platz eins ist gelaufen, Angela Merkel wird Bundeskanzlerin bleiben.“““““ Es ist klar, dass es zwischen CDU und SPD keinen Wettbewerb mehr gibt. Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Entscheidend ist jetzt, wer die dritte Kraft im Bundestag wird. Ich kämpfe dafür, dass wir das werden, damit eine starke Stimme der Toleranz, Weltoffenheit und Leistungsorientierung in den Bundestag zurückkehrt. Die grau gewordenen Grünen sind das jedenfalls nicht! Es sieht nach den Prognosen danach aus, als könnte die Bundestagswahl zu einer Richtungsentscheidung zwischen Großem Koalitions-Eintopf und einem bürgerlich liberalen Menü werden... Wir brauchen einen Richtungswechsel in Deutschland. Es reicht nicht, einfach nur den Status quo zu verwalten, wie es Angela Merkel mit dieser großen Koalition getan hat. Statt weiter nur den Wohlstand zu verteilen, muss sich eine neue Bundesregierung der Grundsatzfrage widmen, wovon wir zukünftig leben wollen. Eine neuerliche große Koalition Merkel wird nicht in der Lage sein, die Fragen der Zukunft zu lösen. Seit einem Jahrzehnt sinken die Arbeitslosenquoten in Deutschland kontinuierlich auf ein Niveau, das noch in den 90er-Jahren unvorstellbar schien. Warum nicht einfach so weitermachen wie Merkels Gro-Ko? Weil dieses Land ohne einen Richtungswechsel weiter von seiner Substanz zehrt. Wir müssen in Digitalisierung investieren und in eine Bildung, die wieder Weltklasse hat. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass das stark durch äußere Umstände bestimmte wirtschaftliche Hochplateau ewig weiter anhält. Was ist denn, wenn die Zinsen wieder steigen, der Euro stärker wird und Rohstoffe teurer werden? Dann werden sich die Versäumnisse dieser großen Koalition schmerzhaft offenbaren. Was hat sie denn zum Beispiel versäumt? Schwarz-Rot hat es in vier Jahren nicht fertiggebracht, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Das ist aber unabdingbar, wenn wir hochqualifizierte Menschen aus anderen Ländern zu uns holen möchten, die wir dringend brauchen, weil unsere Gesellschaft immer älter wird. Solch ein Einwanderungsgesetz muss in einem Koalitionsvertrag stehen. Und wir brauchen wieder Ordnung bei der Zuwanderung, die dieser Bundeskanzlerin im Jahr 2015 zeitweise außer Kontrolle geraten ist. Wir müssen unterscheiden zwischen Flüchtlingen, die nur auf Zeit bleiben können, und Menschen, die dauerhaft zu uns kommen und bleiben sollen, die wir uns aussuchen, weil wir ihre Qualifikation brauchen. Das wird eine zentrale Bedingung der FDP für einen Eintritt in eine neue Bundesregierung sein. Martin Schulz, Kanzlerkandidat der SPD, setzt in seinem Wahlkampf auf Gerechtigkeit und erreicht damit nach Umfragen rund ein Viertel der Wähler. Was halten Sie denn von Gerechtigkeit, Herr Lindner? Für mich ist es zum Beispiel gerecht, dass nicht länger die Herkunft der Eltern wesentlich über den Bildungserfolg der Kinder und deren späteren Berufsweg entscheidet. Wir brauchen echte Chancengerechtigkeit. Und wo bleibt eigentlich die Generationengerechtigkeit, wenn die Sozialbeiträge künftig auf 45 und 50 Prozent steigen? Das würde die Spielräume der Generation unter 55 massiv einschränken. Der Steuerzahlerbund hat jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass die Einkommensbelastung mit Steuern und Abgaben im Schnitt bei 54,6 Prozent liegt und prangert ein Allzeithoch an... Wer mehr als ein halbes Jahr für den Fiskus und die Sozialkassen arbeiten muss, hat vielfach keine Spielräume mehr, um sich zum Beispiel Wohneigentum zu schaffen und im Alter mietfrei wohnen zu können. Dazu tragen auch die gerade in jüngerer Zeit massiv gestiegenen Grunderwerbsteuern bei. Das ist eine Perversion von Leistungsgerechtigkeit. Handwerkspräsident Wollseifer hat jüngst im Gespräch mit dem Baugewerbeverband Niedersachsen gefordert, dass die Sozialabgaben ein Niveau von 40 Prozent nicht überschreiten dürfen. Warum ist das so wichtig? Und für wen? Ich unterstütze Herrn Wollseifers Forderung. Es kann nicht sein, dass man mit Beitragsgeldern jede vermeintliche Lücke im Wohlfahrtsstaat schließen will. Das schadet den Arbeitnehmern genauso wie gerade den mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat für unsere Beschäftigung sind. Warum? Weil HandwerksunternehLindner: Deutschland in Sachen Bildung wieder nach vorne bringen. men sowie kleine und mittlere


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